+++ Newsticker: TED Talk – 4 Fragen, die du deinem Arzt immer stellen solltest +++

Wow. Welch einfacher, sinnvoller Ratschlag!

Die vier Fragen sind:

  1. Ist das (eine Operation, eine Dauermedikation etc.) wirklich nötig?
  2. Was sind die Risiken?
  3. Gibt es andere Optionen?
  4. Was passiert, wenn ich rein gar nichts unternehme?

Dr. Christer Mjåset erzählt davon, wie groß die regionalen Unterschiede in Norwegen sind, ob einem Kind die Mandeln entfernt werden oder nicht. Diese Unterschiede sind nicht erklärbar durch andere Indikationen oder bei der Versicherungsleistung, der Versorgung oder dadurch, dass in der einen Region mehr Kinder Probleme mit Erkältungen hätten als in einer anderen Region.

Er erzählt davon, dass Ärzte bei Studien, die solche Phänomene untersuchen, oft angeben, sie würden Maßnahmen auf Druck des Patienten hin durchführen, während die Patienten sich oft (und vor wenigen Jahrzehnten erst fast immer) vom Arzt zu einer Maßnahme – der vermeintlich einzigen Option – gedrängt fühlen.

Ich denke, dafür bin ich nicht der Typ. Ich habe bis heute keine Lösung für ein Wirbelsäulenproblem und vor allem nicht für meine Magenschmerzen. In regelmäßigen Abständen wird an mir geröngt, MR gemacht, ohne dass etwas gefunden wird, das die Beschwerden in dem Ausmaß erklärt. Ich bin dann nicht besonders lästig – man hat halt keine Lösung für mich. Ich kann damit leben.


Was Dr. Mjåset da beschreibt, zeigt deutlich, wie der „medizinische Standard“ ablaufen sollte. Ärzte lernen in ihrer Ausbildung, dass es für die Indikation x entweder exakt eine Lösung gibt, nämlich y, oder, dass es mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt, die in der vorgeschriebenen Reihenfolge a, b und c abzulaufen haben. Der medizinische Standard sieht nicht vor, dass meine Freundin eben nicht operiert werden möchte (individuelle Abwägung aller Optionen 093), auch wenn sich alle Fachleute einig sind, dass das „die beste Option“ beim konkreten Fall sei. Wenn eine Patientin sich „der einzig richtigen Lösung“ des medizinischen Standards entzieht, kann sie sie im Fall meiner Freundin (und womöglich im allgemeinen) ganz schön was anhören: patient blaming, Drohungen, Anklagen, Unterstellungen und / oder sogar psychiatrische Diagnosen. Wenn ich eine Sache im kollektiven Mindset von Ärzten ändern dürfte, dann wäre es: Es gibt oft nicht die eine „richtige Option“ für alle menschlichen Körper und Seelen. Wünschen würde ich mir Beratung bei den Vor- und Nachteilen der einzelnen Möglichkeiten, aber nicht einen fixen „in der Reihenfolge wird’s gemacht!“-Plan.


Die Individualität wird bei einem Menschen mit mehreren Erkrankungen klarer: Meine Traumafolgestörung spielt in meine Entscheidungen mit hinein, die ich für meinen Körper treffe. Ich entscheide manchmal anders, als Menschen ohne meiner Vorgeschichte. Als mich die Ärztin der Therapieeinrichtung bei unserem allerersten Gespräch zum Gynäkologen schicken wollte – aus Routine, ohne konkreten Anlass – war ihr Blick auf die Dinge vermutlich so:

  1. Ist diese Routineuntersuchung wirklich nötig? – Nein.
  2. Was sind die Risiken? – Die Untersuchung selbst hat keine Risiken.
  3. Gibt es andere Optionen? – Ja, man kann sie auch lassen. Aber darüber hat sie sicherlich nicht nachgedacht, denn der Standard sieht eben eine jährliche Vorsorgeuntersuchung vor.
  4. Was passiert, wenn ich rein gar nichts unternehme? Nichts. Prinzipiell. Natürlich gibt es das Risiko, dass Frühstadien bestimmter Erkrankungen nicht erkannt werden und das dann zu Problemen führen könnte.

Hier sind meine Antworten auf dieselben Fragen:

  1. Ist diese Routineuntersuchung wirklich nötig? – Nein.
  2. Was sind die Risiken? – Die Risiken sind Innenchaos auf hohem Niveau mehrere Tage vor dem Termin, Blackouts währenddessen, erhebliche körperliche Reaktionen (Schweißausbrüche, Erbrechen, Schmerzzustände) währenddessen und v.a. (tagelang?) danach. Hätte ich das alles nicht zu befürchten, würde ich womöglich hingehen.
    Das Risiko ist außerdem, dass man bei der Untersuchung etwas findet, Folgeuntersuchungen „nötig“ werden, Krankenhausaufenthalte, Krebs und jenes aussichtslose Siechtum, das ich als Kind bei meiner Hauptbezugsperson miterleben musste. Auch im Frühstadium erkannte Krankheiten können tödlich verlaufen.
  3. Gibt es andere Optionen? – Ja, man kann sie auch lassen. Es hat weniger als 1% der Weltbevölkerung Zugang zu einer jählichen gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung – und die leben auch alle.
  4. Was passiert, wenn ich rein gar nichts unternehme? Nichts. Wie ich aus 15 Jahren Erfahrung weiß.

Das ist meine subjektive Sicht, andere Menschen mit anderen Erfahrungen dürfen gern eine völlig andere Meinung haben. Das will ich eben damit sagen. Es ist auf jeden Fall vorteilhaft für mich als Patientin, wenn ich

  • entweder zufällig genau jener Maßnahme, die in meiner Region genau heute state of the art ist,
  • oder ich ausreichend blindes Vertrauen in den x-beliebigem Fachmann vor mir haben, dass ich jede Behandlung als die für mich beste Option halte.

Ich wünsche mir mehr Beratung und weniger Bevormundung. Ich wünsche mir weniger Vorwürfe an Patienten („Sie wollen wohl nicht, dass es Ihnen besser geht?“ musste sich unlängst eine Freundin sagen lassen – ich kenne sie seit zwölf Jahren und bin sicher, sie würde alles tun, was sich irgendwie plausibel anhört!) und dass Standards nicht Vorschriften sind, sondern eine sinnvolle Arbeitsgrundlage für eine individuelle Entscheidung.

Kommentar? Gern!

 

 

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6 Kommentare Gib deinen ab

  1. Ich kann Deinen beitrag uneingeschränkt unterschreiben. Gerade Traumafolgestörungen werden von Ärzten viel zu wenig berücksichtigt bei der Entscheidung von Patienten die sich gegen die „angeblich beste Option“ richten, aber auch ohne PTBS wird die Entscheidung des Patienten zu wenig Respektiert. 2005, da wußte ich noch nichts von PTBS und DIS, war ich wegen ständiger Kniebeschwerden in der Kniesprechstunde einer Uniklinik. Diese Art von Kniebeschwerden könne nur durch eine Achs-Korrektur des Kniegelenkes dauerhaft behoben werden. Ich ließ mir die OP genau erklären und antwortete dann, dass meiner Meinung nach die Schmerzen noch nicht schlimm genug wären um diese OP durchführen zu lassen, ich würde wieder kommen wenn ich gar nicht mehr laufen könne…….und lebe heute noch mit den Beschwerden die sich mit Hilfe von Schmerzmitteln immer noch im Rahmen des erträglichen halten lassen. Genauso mit meiner Schulter, die eigentlich seit einem Jahr operiert gehört weil eine Sehne angerissen ist. Ja, wenn die Sehne komplett reisst ist die OP deutlich komplizierter…….aber solange ich die Schmerzen noch ertragen kann wird nicht operiert solange die Sehne nicht komplett gerissen ist. Denn beim Kaiserschnitt meines Sohnes hab ich zu wenig Narkosemittel bekommen und alles mitbekommen und vor allem alles GESPÜRT! Die haben mich bei vollem Schmerzempfinden aufgeschnitten, merkten an Blutdruck und Puls und auch dass ich mich beim intubieren gewehrt habe, dass etwas nicht stimmt und haben dennoch nichts gemacht und meine Anzeige bei der ärztlichen Gutachterkommission wurde abgelehnt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Bis ich mich freiwillig wieder auf einen OP-Tisch begebe, da müssen die Schmerzen wirklich gar nicht mehr zu ertragen sein…….
    Das scheint nur leider kein Arzt zu verstehen…..

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    1. Hallo, mit dieser Vorgeschichte finde ich es nur logisch, dass Du weitere OPs vermeidest, wenn Du kannst. Mein Mann wurde vor 2 Jahren erstmals nach einem Unfall operiert, der ging da ganz unbeschwert ran. Das ist einfach ein Unterschied! Und man muss dazu sagen, dass der Unfallchirurg damals wörtlich sagte: „Unser Protokoll und der Gesetzgeber verlangen, dass ich Ihnen Alternativen zur OP vorschlage. Dies ist ein Trümmerbruch. Ich bedaure, aber ich weiß keine andere Option. Wenn wir nicht operieren, ist Ihr Arm nicht mehr zu gebrauchen und muss vermutlich später amputiert werden.“ Naja. Dann! 🙂 Will sagen: Ich denke schon, dass die Tendenz in die richtige Richtung geht: Aufklärung & Beratung, weg vom Diktat der Götter in Weiß. 😉
      Alles Liebe, s.

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  2. Pollys sagt:

    Sehr guter Beitrag, entspricht in etwa meiner Meinung – ich bin nur krasser;). Ich habe noch nie eine Vorsorgeuntersuchung gemacht, denke ebenso, dass die sog. Früherkennung trotzdem in einer Späterkennung landen kann, und habe von einigen Fällen miterlebt, dass sie trotz Früherkennung starben. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass man auch gesunden kann, ohne Ärzte und Behandlungen z.Bsp. wenn man sie gar nicht weiß – oder sogar trotzdem man sie weiß. Allerdings glaube ich, dass nach einer gefährlichen Diagnose ein gefährlicher Fokus auf den Körper gerichtet wird und je nach Positivismus oder Fehlen von diesem, so eine Diagnose tatsächlich sich schädlich auswirken könnte (Nocebo) – wann hat Angst denn jemals zur Gesundung geführt. Ich bin Verfechter des prophylaktischem Handeln (gesunde Ernährung, breite Information über Gefährdung, Psychohygiene, Stressvermeidung….) Übrigens, ist in unserer Ahnenreihe sehr viel Krebs zu finden, und meine Schwester geht jährlich zur Darmspiegelung deswegen. Ja, die Menschen sind unterschiedlich, ich dagegen war nicht mal nach der Geburt zur Nachuntersuchung ;-). Und Du hast recht, es ist im Vorfeld schon sehr stressig und ängstigend, so vermeide ich hier schon mal jede Menge Stressfaktoren. 😉 – wie man weiß ist Stress einer der schlimmsten Killer.

    Gefällt 2 Personen

    1. Hallo, danke. 🙂 Ein Leben ohne Stress ist halt 1. nicht möglich und 2. für mich nicht erstrebenswert (denn dann würde ich das Haus nicht mehr verlassen!). Es ist so wie wenn man sagen würde: „Essen ist einer der schlimmsten Killer!“ und für einige Menschen in meinem Umfeld stimmt das auch (zu viel, zu wenig, zu fettig etc.), trotzdem gehört Essen zum Leben, genau wie Stress. Ganz lieben Gruß schickt s.

      Gefällt 1 Person

      1. Pollys sagt:

        Ja, Stress ist unvermeidlich! Aber man kann und muss glaub ich unterscheiden – zwischen Eustress und Disstress (interessant das Wort im Hinblick auf die Diagnose Stress ;)) Eustress ist guter Stress, von dem mag ich ganz viel – denn er fordert uns heraus zu wachsen, macht uns neugierig und macht Freude am Leben…. Auch ganz liebe Grüße von Melinas/Pollys

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        1. … ich kenne die Unterscheidung, denke aber nicht, dass ich dabei unterschiedliche Neurotransmitter im Blut habe. 😉 lg s

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